Die Methode von Chopin als ein aktives Element in der Klavierlehre von Professor Heinrich Neuhaus.
Teil I.
Motto I:
"Ich liebe das Echte, Wahrhaftige,
Unverfälschte..."
H. Neuhaus
Inhalt:
In meinem Referat möchte ich keine rohe
Abhängigkeit der pädagogische Praxis von Professor Heinrich Neuhaus von der
Chopins Methode beweisen, sondern eine pädagogische Stellung definieren, die in
der jeweils eigenen pädagogische Tätigkeit beider groß er Klavierlehrer zu
finden ist. Meine Intuition sagt mir, daß die Idee, die mit aller
Wahrscheinlichkeit nach, als spiritus movens in der Chopins Methode funktioniert hat - in vielen Punkten mit
der Idee identisch war, die einhundert Jahre später in der Klavierlehre
Professor Heinrich Neuhaus eine führende Rolle spielte. Das Nebenziel meines
Auftritts ist es, diese Idee an das
Tageslicht zu bringen.
Die Liebe zur Kunst, die in den letzten Vierteln
des XIX Jahrhunderts in die kleinen und größ en, multikulturellen und
mehrsprachigen Höfen in der Nähe der alten polnischen Ostgrenze im Gebiet
zwischen Kiev und Lemberg beherrschte, förderte die Vervollkommnung in der
Musik, Malerei, Literatur und Philosophie. Das Haus der Familie Neuhaus paßte
wunderbar zu diesem Hintergrund.
In der Familie Neuhaus wurden drei Sprachen
gesprochen: mit dem Vater sprach man Deutsch, mit der Mutter Polnisch, und,
wenn sich alle zusammen mit Gästen der Familie unterhalten wollten, war nach
den Erinerrungen von Jaroslaw Iwaszkiewicz (Karol Szymanowski we
wspomnieniach [ In Erinnerungen] , PWM Krakow, 1974, S. 19) die
Französische Sprache am besten geeignet. Die Hauptthemen waren, natürlich - die
Kunst en bloc und die Deutsche Literatur und Philosophie; im Moment
verfügen wir über viel Wissen, das uns die Möglichkeit gibt mit den emotionalen
und intellektuellen Faktoren bekannt zu werden, die die künstlerische
Entwicklung von Harry Neuhaus, einem der bedeutensten Klavierpädagogen
unserer Zeit, bestimmen (es gibt ja eine große menge von Briefen, Erinnerungen
und Tagebücher, die durch die Mitgliedern engbefreundeter Familien Szymanowski,
Iwaszkiewicz und Taube geschrieben wurden).
Das Neuhaus-Haus hat sicher auch die wichtige
Rolle in der künstlerische und intellektuelle Entwicklung des jungen Karol Szymanowski gespielt; die Großmutter von Heinrich
Neuhaus (die Mutter von Olga Blumenfeld) war eine geborne Szymanowska.
Es ist uns allen völlig klar, daß Professor
Heinrich Neuhaus wirklich eine groß e Menge ausgezeichneter Pianisten und
Pädagogen erzogen hat, die an der von ihm angegebene klavierpädagogische
Richtung fortgesetzt und eine Klavierschule von ungewöhnlicher künstlerischer
Kraft entwickelt haben.
Dieses unbestreitbar Faktum, die Kreation einer Schule, beschreibt aber das Werk von Professor
Neuhaus nur äuß erlich, sozusagen: quantitativ. Wer mit tiefer, grundsätzlicher
Aspekte von Neuhaus Klavierlehre vertraut werden will, muß nach dem wahre Wert
dieses Klavierlehres fragen, der die hochbegabtesten Klavierspieler von der
ganzen UdSSR und später fast der ganzen Welt zur seiner Klavierklasse gebracht
hat. Es muß ein Faktor existieren, der dieses so lebhafte Interesse an seiner
Person bewirkt hat. So muß ein Wert existieren, der die Klavierlehre von
Heinrich Neuhaus von Klavierpädagogik den anderen gute Meistern unterschied. Es
mußte auch, ohne Zweifel, die vielen Elemente aktiv zusammenwirken um dieses
Phänomen zu ermöglichen: ich denke, die größ te Rolle hat bei dieser Sache der
Charakter von Professor Neuhaus gespielt - sein Temperament und die Weite
seines intellektuellen Horizonts, sein Mut und Können die Arbeit in solchen
Situation zu organisieren, deren Kompliziertheit unsere heutige Phantasie
überschreitet.
Das Studium dieser Aspekte überlasse ich
aber den Historikern; persönlich möchte ich mich auf die Elementen
konzentrieren, die das Problem von einer ganz andere Seite beleuchten.
Zur Methode Chopins gab es bis heute
sehr viele positive Äußerungen. Trotzdem bemerkten nur wenige Klavierlehrer
ihre grossartige praktische Bedeutung. Unter anderen war es gerade Professor
Neuhaus, der dieser Sache besondere Beobachtung schenkte. In seinem Repertoire
hatte er fast alle Werke Chopins, obwohl die Musik von Chopin in seiner
Konzerttätigkeit keine so wichtige Rolle gespielt hat wie zum Beispiel bei
Arthur Rubinstein, seinen Kollegen von der Schule von Prof. Barth in Berlin
oder bei Vladimir Sofronitsky, dem er als Künstler sehr nahe stand. In der
Klavierlehre von Professor Neuhaus sind die Musik und die pädagogische Idee von
Chopin wirklich wichtige und permanente Bestandteile geworden. Es wäre deshalb
sehr nützlich und interessant beide Aspekte von Grund auf zu erforschen. Wir
können auch versuchen die Idee zu definieren, zu der seine Gedanken so oft
führten um Inspiration zu finden.
Es ist doch möglich, daß genau in diesem
Punkt die Schlüsselfrage für das Verstandnis des wahren Unterschieds zwischen
der Klavierschule von Prof. Neuhaus, die künstlerisch so unglaublich produktiv
war, und anderen hochgeschätzten Richtungen der Klavierpädagogik des XX
Jahrhunderts, versteckt ist.
Das Interesse an Chopin, der Wille sich ihm
so oft zuzuwenden, sind augenscheinlich in Die Kunst des Klavierspiels, das die
primäre Quelle unseres Wissens von den pädagogischen Ideen von Professor
Heinrich Neuhaus ist (im Moment ich benutze die finnische Übersetzung dieses
Buches: Heinrich Neuhaus, Pianonsoiton taide, Kirjayhtymä, Helsinki
1973). Der Name Chopins wurde hier 85 mal erwähnt, während er Franz Liszt, den
Zweiten in dieser Liste, nur 44 mal zitiert, also fast um die Hälfte weniger!
Bemerkenswert ist auch, daß in Evenings with Horowitz (D. Dubal, Birch Lane
Press, NY 1991) Chopin ebenfalls der am meisten zitierte Name eines Komponisten
ist.
Obwohl diese statistische Angaben allein
nicht allzuviele Erkenntnisse bringen, kann doch die relative Häufigkeit der
zitierten Namen wie auch deren künstlerische "Topographie" uns etwas
zu denken geben. Der absolute Sieger ist in Die Kunst des Klavierspiels
jedenfalls Chopin, dessen Name 85 Mal zitiert wurde. Dann kommt der Name von
Franz Liszt - 44 Mal, Beethoven -38, Skrjabin - 26, Bach und Rachmaninov je –
24, sowie Anton Rubinstein 20 Mal. Mozart wurde 17 Mal zitiert, Schumann - 16,
Tchaikovsky - 15, Debussy - 13, Brahms - 12, Wagner - 10, Prokofiev und
Szymanowski - 9, Schostakovitsch - 8, Schubert - 5 Mal. Vom den eigenen
Schülern von Professor Neuhaus sind Swjatoslaw Richter - 24 und Emil Gilels -
18 Mal am häufigsten vertreten. Während Leopold Godowski, der wiener Lehrer von
Heinrich Neuhaus 26 Mal zitiert wurde, wurde sein Berliner Lehrer, Prof. Barth,
kein einziges Mal erwähnt.
Auch sehr interessant sieht das Problem der
Zahlproportion der Notenbeispiele in Die Kunst des Klavierspiels aus: auch hier
ist Chopin der Komponist, dessen Musik für den Autor unschätzbar und am besten
als Material zu gebrauchen ist um die eigenen pädagogische Ideen zu
präsentieren. Das Primat Chopins ist unbestreitbar. In Die Kunst des
Klavierspiels gibt es insgesamt 60 Notenbeispiele. Die Musik Chopins wurde hier
18 Mal zitiert (30% aller Beispiele).
Die Unterschiede zu Häufigkeiten der
Notenbeispiele anderen Komponisten sind ebenso nicht überraschende: Beethoven -
13, Bach - 10, Liszt - 6 (dreimal weniger als Chopin), Skrjabin - 4,
Rachmaninov, Brahms und Czerny (...!) - je 2 Mal, Tchaikovsky, Schumann und
Prokofiev - je 1 Mal.
Sehr interessant stellt sich auch die Frage
der Häufigkeiten zwischen den Komponisten dar, die Neuhaus zitiert im größ ten
Kapitel des Buches - Über die Arbeit an der Technik. In diesem Kapitel, das 33%
des ganzen Buchtext umfaßt, bemerkt man an erster Stelle – immer wieder und
wieder - die Zitate von Chopin (7 Stück), aber meiner Meinung nach ist diese
Sache nicht von der höchsten Bedeutung, sondern das Faktum, daß auf den
folgenden Plätze weder Liszt noch Rachmaninov ist - obwohl die beiden doch sehr
viel zur Klaviertechnik beitrugen.
An zweiter Stelle sieht man wieder den Namen
Ludwig van Beethoven (6 Mal zitiert), dann kommen Bach, Czerny und Liszt - je 2
Mal, und am Ende, Rachmaninov - 1 Mal.
Diese Zahlen, in meiner Abschätzung, sind
die wahre, objektive Indikatoren, die die Richtungen in der Gedanken über die
Frage der allgemeinen technischen Ausbildung des Pianisten von Neuhaus
aufzeigen. Seine Aufmerksamkeit konzentriert sich, genau wie hundert Jahre
früher bei Chopin, nicht auf die formalen, oberflächigen Elementen des Problems.
Diese Aspekte werden bald noch deutlicher herauskommen.
Wenn wir versuchen die Werte, die Professor Neuhaus vom anderer brillianten
Klavierpädagogen seiner Zeit unterscheiden, müssen wir wenigstens eine Weile
bei seiner künstlerischer Individualität stehenbleiben. Neuhaus - der Künstler
- würde ich so charakterisieren: impulsiv vom Natur, nach maximaler Ausdruck
und Konvexität der Form strebend, eine Persönlichkeit mit einem ungewönlichen
Sinn für musikalische Farben und starken Verlangen nach Erlangung deren
höchster Intensität. Vor allem aber hat er, meiner Meinung nach, nach der emotionalen Konsequenz der
konstruierten Form des Werkes gesucht.
Seiner tiefe Erudition hat ihm in dieser
Sache sehr viel geholfen: in dem Text des Die Kunst des Klavierspiels erinnert
er an solche Namen wie Aristoteles, Balzac, Blok, Boileau, Buffon, Dante, Delacroix,
Euclid, Flaubert, Goethe, Glinka, Gorkij, El Greco, Heine, Leibniz, Da Vinci,
Lorrain, Majakovskij, Marx, Mendelejev, Michelangelo Buonarotti, Newton,
Pasternak, Perugino, Pushkin, Raphael, Romain Rolland, Rutheford, Schopenhauer,
Schweitzer, Sofokles, Stanislawskij, Terpander, Tizian, Tolstoi, Tschechov,
Velazquez, Verlaine.
Dieser intelektuelle Schwung würde lieber
auf der innerliche Bindung zu Franz Liszt hinweisen, der mit Philosophen und
Schriftsteller korrespondierte und der in vielen Sachen unserer Welt engagiert
war. Aber trotzdem ist nicht Liszt die Person, die von Professor Neuhaus
entfachen würde. Mit ausdrücklicher Klarheit wollte er in die Richtung fühlen,
die man "Le côté de
Chopin" richtig nennen
könnte.
Die Methode von Chopin - hier haben wir die
zwei verschiedene Sachen: die Méthode von Chopin in Form einiger Seiten seiner
unvollendeten Arbeit, die wir im Moment dank der großen Bemühungen von
Professors Jean-Jacques Eigeldinger gründlich studieren können (Frédéric
Chopin. Esquisses pour une méthode de piano. Textes réunis et présentes par
Jean-Jacques Eigeldinger. Flammarion, Paris, 1993).
Daneben haben wir die Methode von Chopin,
oder besser gesagt - das Bild von ihr, das jeder von uns für sich selbst durch
die eigene Forschungsarbeit gebildet hat. Meiner Meinung nach ist es fast
unbestreitbar, daß Professor Neuhaus, am meistens, über diese zweite Bedeutung
dieses Wortes geschrieben hat. Und auch ich möchte gerade jetzt, über dieselbe
Bedeutung sprechen, versuche ich jedoch ein wenig später ein paar Gedanken
vorzustellen, die ebenfalls erste, mehr konkreti Bedeutung betrifft.
Es wäre lächerlich und naiv, wenn jemand die
direkte Abhängigkeit zwischen die zwei Künstlern - Chopin und Neuhaus - die
beide mit so ausdrucklich verschiedenen Individualitäten ausgestattet waren,
behaupten will. Die wissenschaftliche Objektivität bringt uns aber zwangsläufig
zu folgendem Schluß: die Methode von Chopin war die Hauptquelle für pädagogisch-künstlerische
Inspiration in der Klavierlehre von Professor Neuhaus. Er hat Chopin und die
Grundsätze der seine Klavierlehre im allgemeinem gegenüber dem allen anderen
Klavierschulen bevorzugt und auch dessen Methode ausdrücklich bestätigt.
Chopin war für ihn Der Realist und sogar Der
Dialektiker der Klavierlehre, was im politische Umfelt der UdSSR, in dem der
Text geschrieben und herausgegeben wurde, wirklich sehr vielsagend ist. Chopin
war für ihm "der geniale Komponist, Pianist und Lehrer" (Heinrich Neuhaus,
Die Kunst des Klavierspiels, Edition Gerig, 1967, S. 74). Niemand sonst
hat so schöne Komplimente von Heinrich Neuhaus bekommen.
Teil II - Sie sind herzlich
Willkommen!
Special
aspects of the piano technique
Particular questions - individual
answers
Aktualisierung: 2009-03-01